Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz erprobt Früherkennung bei Kleinkindern

Drei zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kinder im Alter vom 6. bis zum 29. Lebensmonat stehen im sogenannten gelben Heft, das Eltern in der Region Pirmasens-Zweibrücken nun bekommen. Mit diesem zusätzlichen Angebot wollen Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Rheinland-Pfalz und Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) die zahnärztliche Vorsorge bei Kleinkindern verbessern und die frühkindliche Karies stoppen. Dafür setzen KZV Rheinland-Pfalz und KV RLP auf die Zusammenarbeit von Zahnärzten und Kinderärzten: Bei den Kinderuntersuchungen U5 bis U7 verweist der Arzt verbindlich an den Zahnarzt.

Pilotprojekt schließt Versorgungslücke
Die Initiative der Zahnärzte und Ärzte hat einen ernsten Hintergrund: Karies ist die häufigste chronische Erkrankung im Kleinkind- und Vorschulalter – oft mit gravierenden Folgen für die Allgemeingesundheit. "Milchzahnkaries bei Kleinkindern ist unser Sorgenkind. Im Gegensatz zur Karies an bleibenden Zähnen verzeichnen wir hier keinen Rückgang", erklärt Sanitätsrat Dr. Helmut Stein, Vorstandsvorsitzender der KZV Rheinland-Pfalz. Studien belegen, dass bis zu 15 Prozent der 2½-Jährigen betroffen sind – mit steigender Tendenz. Zudem zeigt sich, dass bei der Hälfte der Erstklässler, die Karies haben, die Schäden in den ersten drei Lebensjahren entstanden sind.

Eine Ursache hierfür liegt im System der gesetzlichen Präventionsleistungen. Bislang haben Kinder erst ab dem 30. Lebensmonat Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt. "Damit setzen wir zu spät an", sagt Stein. „Nur wenn Eltern früher als bisher mit ihren Kindern in die Zahnarztpraxis kommen, können wir die frühkindliche Karies eindämmen. Das heißt, sobald der erste Zahn da ist.“ Zahnärzte können Eltern dadurch rechtzeitig über die richtige Zahnpflege beim Kind aufklären und für die Ursachen und Folgen der Milchzahnkaries sensibilisieren. Darüber hinaus können sie erste kleine Schäden entdecken und behandeln. Schmerzen, teure Zahnsanierungen häufig unter Narkose oder gar Schäden an den bleibenden Zähnen der Kinder sowie Sprachentwicklungsstörungen lassen sich so vermeiden.

Gelbes Heft schafft Verbindlichkeit
KZV Rheinland-Pfalz und KV RLP setzen im Pilotprojekt auf die hohe Akzeptanz und die Verbindlichkeit, die das gelbe Kinderuntersuchungsheft schafft. "Kinderärzte haben einen sehr engen Kontakt und ein Vertrauensverhältnis zu den Eltern. Daran wollen wir anknüpfen", sagt Dr. Sigrid Ultes-Kaiser, Vorstandsvorsitzende der KV RLP. "Zerstörte Milchzähne sind auch für die Kinderärzte keine Bagatelle. Im Pilotprojekt haben Ärzte nun gemeinsam mit Zahnärzten die Chance, einen weiteren wichtigen Grundstein für die kindliche Gesundheit zu legen."

Zahnärzte und Ärzte erhalten für ihre Initiative breite Unterstützung von den Gesundheitspartnern in der Südwestpfalz. Neben der Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege Pirmasens-Zweibrücken sind das Netzwerk "Bündnis Frühe Hilfen" sowie das Netzwerk "Pakt für Pirmasens" beteiligt. Unterstützt wird das Projekt zudem von den gesetzlichen Krankenkassen und der Landesregierung.

Impulse für gesetzliche Neuregelung
Das Pilotprojekt "Frühkindliche Karies vermeiden" greift einer geplanten gesetzlichen Neuregelung vor. Mitte Mai hat der Gemeinsame Bundesausschuss auf Initiative der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung beschlossen, künftig rechtskräftige Verweise vom Kinderarzt an den Zahnarzt ins gelbe Kinderuntersuchungsheft und in der Folge zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Für die dazu notwendigen weiteren Beratungen auf Bundesebene will das Pilotprojekt Impulse geben.

Hintergrund: Frühkindliche Karies
Die frühkindliche Karies hat zwei Ursachen: zum einen der übermäßige Konsum zucker- und säurehaltiger Getränke – vor allem nachts – über die Nuckelflasche, zum anderen eine mangelnde Pflege der Milchzähne durch die Eltern. Die Erkrankung stellt nicht nur das Kind und seine Eltern, sondern auch den behandelnden Zahnarzt vor eine schwierige Aufgabe. Aufgrund der Anzahl der betroffenen Zähne – meist sind es sechs bis acht Zähne –, der Schwere der Zerstörung, des Alters der Kinder und der daraus resultierenden geringen Kooperationsfähigkeit kann häufig nur unter Narkose behandelt werden. Nicht selten bleiben kariöse Zähne deshalb unversorgt. Schmerzen, ein vorzeitiger Verlust der Milchzähne oder Schäden im bleibenden Gebiss zählen zu den zahnmedizinischen Folgen. Auch neigen betroffene Kinder dann als Erwachsene eher zu Karies. Ganzheitlich betrachtet hat die frühkindliche Karies häufig einen negativen Einfluss auf die kindliche Entwicklung und das Sozialverhalten. Ohne gesunde Milchzähne können Kinder nicht richtig essen und altersgerecht zunehmen sowie nicht fehlerfrei sprechen lernen. Kinder mit sichtbar zerstörten Zähnen werden oft sozial ausgegrenzt. Problematisch bei der frühkindlichen Karies ist: Eltern erkennen die Frühstadien der Karies – raue, weiße oder braune Verfärbungen – meist nicht und verpassen den richtigen und notwendigen Zeitpunkt für den ersten Zahnarztbesuch.

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